Ausgewähltes Gekritzel

(alt) MTM Audi RS6 Clubsport– Ein Wolf im Wolfspelz

 

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Von Oliver Gmeinder

Was haben ein ausgewachsener Zuchtbulle, ein Bodybuilder und ein Audi RS6 gemein? Nun, die Antwort ist ebenso einfach wie trivial: Kraft im Überfluss! Daher denkt man zunächst bei den vorgenannten Vertretern der jeweiligen Spezies nicht unmittelbar an die zwingende Notwendigkeit einer Leistungssteigerung oder gar an “offizielles” Doping. Zuchtbulle und Bodybuilder vermögen bereits über ein hohes Maß an Kraft und Ausdauer verfügen, so auch der Audi RS6.

In der Standardversion mobilisiert er seit 2008 aus 5.0 Litern Hubraum, 10 Zylindern und 2-fach Aufladung mit Direkteinspritzung ziemlich genau 580PS und 650Nm, was zu recht moderaten Fahrleistungen führt. 4,5 Sekunden (Limousine) vergehen bis 100 Km/h, bei 250Km/h ist er elektronisch abgeregelt, was ungefähr so ist als verbiete man dem Bodybuilder mehr als 100KG an Gewichten zu stemmen.

Die Eckdaten klingen allerdings spektakulärer als Sie es in Natura sind. Durch die Turbolader verliert der RS6 auch etwas an Soundkulisse und ist bspw. kein Vergleich zu einem „kleinen“ Audi R8, der aus seinem V8 mit 4.2 Litern Hubraum deutlich mehr Klangkulisse zaubert. Der Motor ist grundsätzlich sehr zurückhaltend und eher der “Cruiser” mit XXL Reserve für Durchzug oder schnelle Autobahnpassagen. Perfekt fahrbar, eher unspektakulär und gar ein klein wenig langweilig (alles in Relation zur Leistung gesehen!).

Die weltbekannte Motoren Technik Meyer GmbH aus Wettstetten –Audi Tuner und Sportwagenspezialist– hatte aber genau hierfür des Rätsels Lösung, indem Sie bereits 2010 den RS6 modifizierte und in der Clubsportversion auch auf den Hochgeschwindigkeitsevent nach Nardo schickte. Firmenchef Roland Mayer brannte hier 2010 echte 362,5Km/h in den Asphalt und das mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen suchte (siehe hier Nardo Event).

Der Anspruch damals: Mit weniger Gewicht und einem guten Plus an Leistung aus dem weichen Standard-Bodybuilder einen agilen und vor allem sehr schnellen Zeitgenossen zu kreieren. Zitat aus dem MTM Pressetext: “Neben der Modifizierung des Seriensteuergerätes setzen die Ingenieure auf technische Finessen, um die mehr als 730 PS zu realisieren und ab 2.750 U/min rund 860 Nm bereitzustellen. Zusätzlich wird eine MTM-Edelstahlabgasanlage ab Katalysator mit Endschalldämpfer (4-Rohr, jeweils 80 mm mit Klappen in zwei Rohren mit Steuerung) nebst anderen Details und geänderten ‚Hochschaltung‘ des Getriebes verbaut. Fahrwerkseitig kommt ein höhenver­stellbarer MTM-Federnsatz zum Einsatz, mit dem sich der RS6 Clubsport zwischen 10 mm bis 45 mm absenken lässt. Als Radsatz empfehlen sich BIMOTO Sportfelgen in 20“ oder 21“ Grösse, beispielsweise mit Bereifung Michelin Pilot Sport PS2 in der Grösse 305/30 R21. Zur Verzögerung belässt es MTM bei den serien­mässigen Karbon-Keramikbremsen, jedoch werden auf Wunsch zusätzlich MTM Stahlflexbremsleitungen verbaut.”

Wir hatten vor kurzem die Möglichkeit genau diesen Wagen zu fahren. Interessant daran, vor allem da wir in der Regel die Fahrzeuge im neuwertigen Zustand mit unter 20.000KM auf dem Tacho testen, wie sich der Umbau nach 2 Jahren und etlichen Test- und Probefahrten gemacht hat.

Der RS6 Clubsport bei Übernahme

Wie aus dem Ei gepellt steht er vor dem Firmengelände in Wettstetten und scheint jedwede Test-, Probe- oder Überführungsfahrt mit stoischer Gelassenheit zu begegnen. Als wollte er sagen: “Komm nur, ich tu Dir nichts… Ich will nur spielen.”

Gewohntes Audi Cockpit ergänzt um MTM Attribute

Das Interieur offenbart keine Überraschungen. Sauber aufgeräumtes Audi RS Cockpit mit einigen MTM Attributen. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass der Wagen in der aktuellen Konfiguration mit der serienmäßigen RS6 Bestuhlung und Rücksitzbank ausgerüstet ist. Käfig, Recaro Schalensitze und fehlende Rücksitzbank wurden aus Alltagstauglichkeitsgründen ersetzt. Was geblieben ist, sind die 742 PS!

Auf der Uhr stehen derzeit rund 80.000 KM. Das vermag ein Vertreter in gut 1 Jahr in seinem Passat abzuspulen; bedenkt man aber, dass es sich bei dem MTM RS6 um ein Hochleistungsgerät handelt und die Laufleistung garantiert nicht auf der Autobahn bei lauschigen 130 Km/ h entstanden ist, sondern im Rahmen von diversen und nicht zu knappen Rennstrecken-, Presse- und Eventtests vermag direkt ein wenig Mitleid aufzukommen. Was mag der Wagen wohl in rund 80.000 KM so alles erlebt haben? Wie viele versierte und sicher auch  weniger versierte Hände mögen Ihn gelenkt haben? Aber wir schweifen ab…

Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel erweckt denV10 bollernd zum Leben. Nichts zeugt von Abnutzung in irgendeiner Form. Weder optisch noch akustisch. Den Wählhebel der 6 Stufen Automatik auf R und vorsichtig zurücksetzen. Und los geht es! Von existentieller Bedeutung bei einem derartigen Triebwerk ist übrigens das Warmfahren, so dass das Öl eine Mindesttemperatur von min. 80 Grad aufweist. Nur so entfaltet es seine volle Schmierwirkung und verhilft dem Motor zu langem Leben. Man kann nur immer wieder betonen, dass dies deutlich NACH erreichen der Betriebstemperatur des Kühlwassers der Fall ist und der Wagen also noch nicht warm ist, nur weil die Kühlwasseranzeige mittig steht.

5.0L V10 TFSI mit 742PS

Es fällt sofort auf, dass sich der Wagen überaus pflegeleicht fährt. Die Automatik schaltet weich wie im Neuzustand. Fahrwerk, Audi Keramikbremsen und Reifen arbeiten perfekt und es kommt fast schon etwas wie Harmonie auf. Auch gibt sich das Wagen in keiner Weise zickig oder ruckelig bei Stadtfahrten – teils eine Nebenwirkung von allzu exzessiven Leistungssteigerungen. Er fährt ganz sonor (dank Klappenauspuff) vor sich hin und bereits nach kurzer Fahrt ist klar, dass hier auch Mutti zum Einkaufen geschickt werden könnte, ohne  dass Eigner oder gar Mutti selbst Angstschweißausbrüchen erleiden müsste.

MTM RS6 Clubsport

Nach gefühlten 100 KM Warmfahren suchen wir uns eine lauschige Ecke und machen einige Fotos. Die Wolken stehen wohl symbolisch für das anstehende Inferno, welches uns erwarten sollte. Oben hatten wir noch angemerkt, dass die Soundkulisse des “normalen” RS6 durchaus Verbesserungswürdig ist.

Kommentarlos wollen wir an dieser Stelle eine Soundfile von uns hier einfügen:

Warmer Motor wird gestartet…

Nun geht es aber endlich los. Leider nicht nur mit der Fahrt, sondern zusätzlich mit einem Regenerguss aus vorgenannter Infernowolke, der seinesgleichen suchte. Nichtsdestotrotz war es umso spannender zu erfahren, wie sich 742 PS während eines Monsun anfühlen. Trotz beherzterem Anfahren überträgt der Allradantrieb die Kraft auch bei Regen sicher auf die Straße und der Wagen scheint keinerlei Traktionsprobleme zu kennen. Zugegeben haben wir uns in diskreter Zurückhaltung geübt, bis wir auf der Autobahn waren und der Regen nachgelassen hat. Bis hierhin allerdings keinerlei Bedenklichkeiten. Der Vorteil bei der Leistung ist ganz klar, dass man auch dem Regen schnell mal wegfahren kann.

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Bei glücklicherweise trockener A9 geben wir nun etwas Gas getreu dem Motto “Pull the Pedal to the Metal” und haben unsere Mühe zu verstehen was hier passiert. Wir sind durchaus Sportwagen erprobt und auch die Klasse 700+ ist per se keine Neuheit für uns. Dennoch fühlen sich die Leistungswerte offen gesagt nicht überdimensional spektakulär an, da der Wagen sehr sauber und gleichmäßig beschleunigt. Kein Turboloch, Einknicken oder ähnliches. Sicher liegt das auch an der Grundsoliden und gedämmten Größe des Serienfahrzeuges. Der Blick auf den Tacho verrät aber, dass hier Wahrnehmung und Realität deutlich auseinander klaffen. In Kürzester Zeit stehen 270 auf der Uhr und nur der Verkehr konnte den Vorwärtsdrang eindämmen.  Nicht auszudenken, was bei leerer Bahn passiert wäre… “Ob wir die Nardo Marke geknackt hätte?“.

Zwinkerndes Smiley

Leistung ist immer auch subjektiv und gerade im MTM RS6 auch von Laien sehr gut (er)fahrbar. Bei eingeschaltetem ESP wirkt er gar wie ein Bodyguard. Brachial stark, durch nichts aus der Ruhe zu bringen sorgt er mit imposantem Auftritt für ein angenehmens Sicherheitsgefühl beim Fahrer, als wolle er Ihn beschützen. Und mit immer genug Reserve, um zu jagen oder sich aus dem Staub zu machen. Womit wir beim Wolf aus der Headline wären.

Der Wagen lässt keinen Zweifel an seiner Potenz und fährt sich wunderbar. 3,6 Sek von 0-100 Km/h sind in Anbetracht der Leistung durchaus plausibel und auch von einem Laien reproduzierbar. Automatik mit verkürzten Schaltzeiten in Verbindung mit Allradantrieb und Top-Reifen von Michelin sowie die Dopingkur sind hier Kausalitätsdefinition genug. Die Längsdynamik ist sensationell. Auch auf schnelleren Landstraßenpassagen leistet er perfekte Arbeit und gibt dem Fahrer stets ein sicheres Gefühl. Die Audi Keramikbremsen tun ihr übriges dazu den Vorwärtsdrang auch wieder einzubremsen. Der Sound ist Dank MTM in einer Dimension, die man durchaus als gelungen definieren könnte.

Alles in allem eine perfekt funktionierende von MTM modifizierte Maschine, die trotz XXL Radsatz und Sportfahrwerk auch eine gewisse Form von Komfort bietet und den Fahrer in keinster Weise zu  stressen vermag. Verbrauch soll hier nicht das Thema sein und wird daher nicht weiter beziffert, bewegt sich aber in den üblichen normalen Maßen für einen derartigen Wagen.

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Bleibt nur noch das Fazit des Kurztests:

Letztendlich ist der Wagen mit einem Neupreis von rd. 159.000€ kein Schnäppchen, jedoch verbindet er die Fahrleistungen eines Supersportwagens mit den Qualitäten einer Luxuslimousine und ist ganzjährig nutzbar. Der Testwagen kann durchaus auch nach 80.000KM noch als “neuwertig” bezeichnet werden. Der Wolf ist also noch lange nicht grau und athletisch in bester Verfassung, sowohl optisch, wie auch vom Fahreindruck her. Die Qualität und Langlebigkeit des Tunings stimmt und schlussendlich ist es mit einem ähnlich teuren Ferrari oder Lambo (die PS mässig schwächer auf der Brust sind) nicht möglich diesen Spagat an Einsatzmöglichkeiten zu vollführen. Steht man auf etwas mehr Understatement, so kann man sich 2.600€ für den MTM Clubsport Look abziehen lassen und fährt eine faszinierenden Wagen, der so manchem Supersportler die Stirn bieten kann.

Ein Wolf im Wolfspelz eben…

Einen Eindruck von der Rennstrecke haben die Kollegen von ABSC bereits 2010 festgehalten:

MTM RS6 Clubsport auf der Rennstrecke

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